AHA am 25.01.06

Diese Woche nichts Spektakuläres von Andreas Hartmann, nur kleine Hässlichkeiten, z.B. in der Nachricht von Wilson Pickets Tod:

Aretha Franklin bezeichnete ihn als »einen der größten Soulsänger aller Zeiten«. Und das war er wohl auch, obwohl seine Zeit nicht all zu lang war.

So so, dann war er das wohl auch, so wie er in den Siebzigern “künstlerisch und kommerziell” “einen Einbruch” “erfuhr”. Bei

Hits wie »In the Midnight Hour«, einer dieser Nummern, die bis heute auf keiner Studentenparty fehlen dürfen.

bin ich mir nicht sicher, ob ich das als Zynismus lesen soll (der allerdings anlässlich eines Todes eher fehl am Platz wäre) oder AHA hier schlicht Einblick in seine bevorzugte Freizeitgestaltung gibt. Er bestätigt nocheinmal seine Vorliebe für “echte Kerle”:

In den Sechzigern freilich war Wilson Pickett eine echte Bombe. Als er bei Atlantic vorstellig wurde, regierten im Soul die Crooner, jeder war vor seiner Karriere im Kirchenchor gewesen, konnte singen wie ein Waldvogel und sah so aus, als würde er sich morgens von der Schwiegermama die Haare frisieren lassen. Wilson Pickett war da anders. Jerry Wexler von Atlantic Records nannte ihn »Wicked« Pickett, der Typ war pures Dynamit, ein echter Macho und auf der Bühne ein Tier. Der Mann war nicht sexy, sondern personifizierter Sex. Er schrie und jaulte, und Mütter versteckten ihre Töchter vor ihm.

und kann bei der kurzen Bemerkung über die neu aufgekommenen Vorwürfe an Harry Mulisch dann nicht mehr viel falsch machen.

Einen schalen Nachgeschmack hinterlässt allerdings Sonja Eismanns Artikel Homo, Sweet Homo über “queere Indiemusik” bzw. den Umstand dass

Nachdem schwule oder lesbische Punkbands wie Pansy Division oder Team Dresch inmitten des durch Mackerposen gekennzeichneten Punk-Kosmos jahrelang die gern zitierte Ausnahme gewesen sind, […] sich auf einmal eine Menge Leute für queere Acts wie die Hidden Cameras, Rufus Wainwright, Xiu Xiu oder Antony and the Johnsons [begeistern].

Bei der Intro hatte ich immer das Gefühl, dass die anderen Schreiberlinge froh darüber waren nicht über so “Lesbenmusik” wie Le Tigre oder Sleater Kinney schreiben zu müssen, weil man das so schön Frau Eismann überlassen kann. Nun ja. Der Artikel könnte sogar ganz gut sein, wenn er z.B. ohne solche Plattitüden auskäme:

Und wann immer die Kasse ordentlich klingelt, wacht auch die Industrie auf, denn der Markt kennt bekanntlich nur eine Orientierung, und die heißt weder schwul, trans oder bi, sondern Profit.

Es würde auch helfen, wenn Frau Eismann sich etwas tiefergehender mit der Frage beschäftigen würde, warum gerade hauptsächlich männliche queere Künstler Erfolge feiern, statt nur zu darüber zu schmollen, dass lauter weibliche Bands,

die alle mit theorielastig-ernster bis sexualisiert-ironischer Herangehensweise ihre »deviante« Identität thematisieren

nicht denselben Erfolg genießen. Sie formuliert das als Frage, ohne zu bemerken, dass sie die Antwort doch schon selbst gegeben hat. Es ist bedauerlich, dass das neue Album von The Gossip, über das man wirklich viel schreiben könnte (weil es sich von den Vorgängeralben deutlich unterscheidet und The Gossip schlicht großartige Musik machen), als Aufhänger für solches Gemaule herhalten muss. Aber statt der Musik steht im Vordergrund, warum sich The Gossip nicht so “leicht in die momentan so hippe Tanz-Rock-Welle eingliedern” lassen. Ein Highlight gibt es aber auch; Eismann schreibt über Beth Ditto:

Denn sie ist, was nicht sein darf: nicht nur eine lesbische Indie-Femme, son­dern auch noch klein, dick und very physical. Also alles, wovor sich die Bloodhound Gang und ihre White-Malestream-Fans ekeln und eigentlich doch nur fürchten.

4 Responses to “AHA am 25.01.06”

  1. classless Says:

    Und der letzte Satz geht durchaus aufs Haus.

  2. Melkus Says:

    Zu früh gesprochen, Hartmann schreibt auch in der TAZ,
    über neueren Noiserock.

    Der Versuch einer historischen Rekonstruktion von US-Gitarrenlärm scheitert, um es mal vorsichtig auszudrücken, daran, dass der einzige Bezugspunkt 80erJahre-Straight-Edge-Hardcore ist. Daneben und seitdem ist scheinbar nichts Erwähnenswertes passiert.

    (Ich schicke mal ein Gebet an den WordPress-Schöpfer hinterher, dass die HTML-Tags hier gehen.)

  3. Melkus Says:

    Naja, hier halt:
    http://www.taz.de/pt/2006/01/25/a0261.1/textdruck

  4. scrupeda Says:

    Ouch. Die Taz scheint auch kein Lektorat mehr zu haben, ich sage nur “pfurzen”.