Kein Spektakel, keine Theorie, keine Praxis

Die Veranstaltung zu Spektakel – Kunst – Gesellschaft gestern im Festsaal Kreuzberg war etwas erkenntnisarm und auch minder unterhaltend. Stephan Grigat sprach einleitend über das Buchprojekt und anschließend über die Schwächen Debords und der Situationistischen Internationale, nämlich das mangelnde Verständnis für die Bedeutung des Nationalsozialismus, von Antisemitismus und Shoa, und die daraus folgende falsche Einschätzung des Zionismus, die schließlich in dem ‘klassischen’ linken Antizionismus mündete, sowie die ebenfalls daraus resultierende Ignoranz gegenüber der Möglichkeit einer negativen Aufhebung des Kapitalverhältnisses. Leider war Grigat der einzige Sprecher, der wirklich nicht-einschläfernd vortragen konnte.
Eiko Grimberg, der über das Verwirklichen und Wegschaffen der Kunst in der SI sprach, konnte ich schon nicht mehr wirklich folgen, das mag ebenso an meinem mangelndem Interesse wie an dem leblosen und leider auch etwas zu leisen Vortrag gelegen haben. Bernd Beier als letzter Redner berichtet über die Unterschiede sozialer Bewegungen in Deutschland und Frankreich, wie sie zwar meist beide letztendlich in reformistischen Hilferufen an den Staat hängen bleiben, aber in Frankreich vorher meist zumindest sowas wie ein Interessenkampf zustande kommt. Was das mit der SI zu tun hat ist mir schleierhaft, und neu ist es auch nicht. Der Vortrag klang vielmehr wie eine Zusammenfassung verschiedener Zeitungsartikel der letzten Zeit über die Versuche der Organisation der ‘Prekären’, des Euromayday etc. und war so nicht nur in der Präsentation, sondern schon vom Thema her redundant.

Die anschließende Diskussion faserte dann völlig aus – so ein pluralistisches Programm zieht eben ein noch viel bunter gemischtes Publikum, mit der Folge, dass die gemeinsamen Prämissen, über die nicht mehr diskutiert werden muss, gegen Null gehen und die Diskussion immer wieder am Urschleim kleben bleibt. Wozu eine Lektüre Debords heute noch sinnvoll sein soll, habe ich nicht begriffen, und werde es wohl selber rausfinden müssen. Lust darauf gemacht hat die Veranstaltung auf jeden Fall nicht.

3 Responses to “Kein Spektakel, keine Theorie, keine Praxis”

  1. classless Says:

    Die zwei Seiten der Aufhebung der Kunst sind die Wegschaffung und die Verwirklichung der Kunst.

    Mein Bericht: http://www.classless.org/2006/08/16/ki-vs-si/

  2. l f o Says:

    Ich fand den Bernd Baier-Beitrag im Sammelband ziemlich lesenswert nicht redundant – er beschäftigt sich erst mit der Situationistischen Theorie, Benjamin und Produktionsbedingungen von Kultur heute und belegt dann anhand der falschen Praxis von Kulturprekären und Studenten, wie eine Umwälzung der Verhältnisse nicht aussehen sollte bzw. kann. Das ganze ist der Kategorie “Bewegungskritik” zuzurechnen und eher auf die konkreten Beispiele orientiert, ich empfand ihn auf jeden Fall als sinnvolle Anregung zu einigen Problemstellungen, z.B. zum Verhältnis Kunstproduzenten – Staat.

    Als eher problematisch sehe ich, dass Baier den letzten Absatz seines Beitrages auf der Veranstaltung vorgelesen hatte. Dieser heisst “Die Rezeption der Streikbewegung in Deutschland” und will am Ende noch kurz belegen, was der Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich sei hinsichtlich der Möglichkeit sozialer Bewegungen. Nur: Der Absatz handelt zu großen Teilen eben nicht von der Rezeption der französischen Streiks in Deutschland, sondern den HartzIV Protesten. Und da fand ich die These der radikalen Unterschiede recht schwach belegt, ich würde da eher eine Angleichung durch Abgrenzung zur USA etc. sehen.

  3. scrupeda Says:

    Die Rede von der Redundanz bezog sich ja auch nicht auf den Beitrag im Buch, sondern auf das Vorgetragene. Vielleicht bin ich auch schlicht zu wenig Kunstproduzentin, um es würdigen zu können…